
Die interessantesten Fundstücke landen ab und zu bei uns in der Bücherei. So dieses kleine Büchlein „Artige Geschichten für artige Kinder – 100 kleine Geschichten für Knaben und Mädchen im Alter von sechs bis acht Jahren“. Weihnachten 1921 ist es, so die Inschrift, verschenkt worden.
Wer eine kleine Kostprobe lesen möchte:

Für diejenigen, die keine Fraktur lesen können, folgt Geschichtlein 25. Das Bild im Spiegel.
Mathilde konnte recht jähzornig und auffahrend sein. Ihre Mutter stellte ihr oft vor, wie hässlich dies wäre, und ermahnte das Kind zur Sanftmut; Mathilde wollte aber darauf nicht achten.
Nun saß sie einmal vor ihrem Nähtischchen, auf welchem ein schöner Topf mit Blumen stand. Da kam ihr jüngerer Bruder und stieß daran, daß der Topf herunterfiel und zerbrach. Sie fuhr den Hans ganz erbost an und geriet dabei so sehr in Zorn, daß sie am ganzen Leibe zitterte und ihr Gesicht ganz entstellt war.
Da hielt ihr die Mutter den Spiegel vor das Gesicht; sie sah hinein und erschrak vor sich selbst und fing an zu weinen.
„Siehst du nun,“ sprach die Mutter, „wie häßlich der Zorn und das wilde Wesen sind? Wenn du so fortfährst, so wird dein Gesicht noch ganz häßlich und verzehrt werden!“
Das merkte sich Mathilde, und sie ward von der Zeit an sanftmütiger.
