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Frauen und die NS-Zeit: Referentin bekam interessante Info

Ilse Friis bei ihrem Vortrag in der Deutschen Bücherei Tingleff

Foto: Karin Riggelsen


KJELD THOMSENLokalredakteur
Nordschleswiger

25. Februar 2023Tingleff/Tinglev

Auch in Tingleff stellte Ilse Friis ihre Nachforschungen zu Frauen in der NS- und Nachkriegszeit vor. Der Vortrag stieß auf großes Interesse. Eine 92-jährige Tinglefferin überraschte die Historikerin mit einem besonderen Foto.

Da mussten die Gäste auch in der Deutschen Bücherei Tingleff zusammenrücken, als Ilse Friis kürzlich einen ihrer Vorträge über nordschleswigsche Frauen in der NS- und Nachkriegszeit hielt.

Über 30 Interessierte fanden sich ein und lauschten den Ausführungen der Referentin. Anhand von Biografien gab Ilse Friis Beispiele, wie Frauen sich in der damaligen Zeit verhielten, welche Rolle sie hatten, in welchem Umfang sie mit der deutschen Besatzungsmacht sympathisierten und welche Konsequenzen sie nach dem Krieg zu tragen hatten.

Oje, Werther und Co.

Beim Vortrag griff Friis auch Frauen aus dem Einzugsgebiet Tingleff auf, darunter Amtspersonen wie Lehrerin Oje aus Rapstedt (Ravsted) und Volkhochschulleiterin Martha Werther aus Tingleff.

Beim Vortrag kam unter anderem das damalige Wirken von Lehrerin Frau Oje an der Deutschen Schule Rapstedt zur Sprache (Archivfoto). Foto: DN

Aufmerksame Zuhörerin beim Friis-Vortrag war die 92-jährige Käthe Ludwigsen aus Tingleff.

Die rüstige Frau, die aus Holebüll (Holbøl) stammt, hat die NS- und Nachkriegszeit als Kind der deutschen Minderheit miterlebt. Von Erzählungen und Dokumenten aus dem Familien- und Bekanntenkreis hat sie im Laufe der Zeit allerhand über das Neben- und Gegeneinander von Dänen und Deutschnordschleswigern erfahren, so die 92-Jährige im Gespräch mit dem „Nordschleswiger“. Ihr Interesse am Vortrag sei entsprechend groß gewesen.

Käthe Ludwigsen kam dabei nicht mit leeren Händen. Sie hatte Ilse Friis ein Foto aus der Besatzungszeit mitgebracht, das zum Thema passte und das Friis als weiteren Mosaikstein in ihre Nachforschungen einflechten könnte.

Strohschuhe für Wehrmachtssoldaten an der Ostfront

Das private Foto zeigt eine Gruppe Frauen beim Flechten von Stroh in Wilsbek (Vilsbek) in der Nähe von Ludwigsens Heimatort Holebüll. 

„Es war 1942 oder 1943. Die Frauen verknüpften das Stroh zu Einlagen für die deutschen Soldaten an der Ostfront in Russland, damit die Füße nicht so kalt wurden“, erwähnt die Tinglefferin.

Foto von den „Strohfrauen“ aus den 40er-JahrenFoto: Privat

Auf dem Bild sei eine Tante von ihr drauf. Ob das Strohflechten nach dem Krieg Konsequenzen hatte und ob einige der Frauen auf dem Foto auch noch andere Aufgaben für das Hitlerregime wahrnahmen, wisse sie nicht. „Vielleicht kriegt Ilse da ja mehr heraus“, so die 92-jährige „Materialbeschafferin“.

Ilse Friis hat bei ihren Recherchen nicht nur unzähliges Material in Archiven durchforstet, sondern auch private Dokumente und Berichte herangezogen.

Nicht alles, was sie in die Finger bekommt oder ihr erzählt wird, ist relevant. Das Foto von Käthe Ludwigsen sei allerdings bemerkenswert und passe zum Thema.

Anreiz für weitere Nachforschungen

Die Neugier sei geweckt. „Käthe hat mir auch Namen zum Foto mitgegeben. Mal sehen, was über die Frauen herauszufinden ist“, so Friis am Tag nach dem Vortrag in Tingleff.

Der Vortrag von Ilse Friis stieß auch in Tingleff auf Interesse.Foto: Karin Riggelsen

Womöglich kann sie den über 100 Biografien demnächst weitere von einigen Frauen hinzufügen, die in Wilsbek einst „Strohschuhe“ für Wehrmachtssoldaten an der Ostfront geflochten haben.

Die belesene Käthe Ludwigsen würde es freuen. Sie findet generell, dass alle, die „im stillen Kämmerchen“ private Dokumente und anderes relevante Material aus jener Zeit haben, es für die Geschichtsschreibung zur Verfügung stellen sollten. Auch dann, wenn eine Pro-Hitler- und Nazihaltung vergangener Tage abzuleiten sei.

„Ich bin mir sicher, dass da in vielen Haushalten noch so manches Interessantes schlummert“, so Ludwigsen.

Vergangenheitsbewältigung voranbringen

Das Offenlegen relevanter Informationen würde vor allem auch die Vergangenheitsbewältigung in der Volksgruppe weiter voranbringen, die in jüngster Zeit in den Mittelpunkt gerückt ist. „Das hätte schon vor 20 Jahren geschehen müssen. Der Generationenwechsel hat sich doch längst vollzogen“, so die gesellschafts- und geschichtsinteressierte Dame.

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Was empfehlen unsere KollegInnen für die Sommerferien?

Ingela Wieking, Bibliothekarin in der Zentralbücherei Apenrade, hat die Artothek und die Hör-CDs unter ihren Fittichen. Auch bei zwei Lesekreisen ist sie treibende Kraft.

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„Schlafen werden wir später“ ist der neueste Roman der deutschen Autorin ungarischer Abstammung. Die Briefromane des 18. Jahrhunderts zugrundelegend folgen wir dem (E-Mail) Austausch zweier Freundinnen, die beide in der Mitte des Lebens stehen, die eine verheiratet, drei Kinder, Schriftstellerin, die andere Lehrerin und kinderlos. Über mehrere Jahre hinweg folgen wir der tiefen Freundschaft der beiden Frauen, hören von ihren Lebensträumen, ihrem täglichen Kampf um Freiheit und Glück, ihrer Verwirklichung als Schriftstellerinnen – die Uhr tickt, „schlafen werden wir später“…..

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2014 bekam Patrick Modiano den Literaturnobelpreis. An sein Buch „Im Café der verlorenen Jugend“ hat sich Ingela vor kurzem gewagt und war positiv überrascht über den flüssigen, gut lesbaren Schreibstil des Autors. Wir sind im Paris der 60er Jahre, im Café Le Condé finden ruhelose Seelen eine Zuflucht und Halt. Mondiano schafft es, die Atmosphäre Paris zu vermitteln, man sitzt im Café und hört den Leuten zu, erfährt mehr über ihr Leben, ihre Hoffnungen und Sehnsüchte. Eine melancholisch-tragische Stimmung liegt in der Luft. Rätselhaft die Hauptfigur Jacqueline, die ihren Mann nach nur einem Jahr Ehe verlässt und spurlos untertaucht. Mondiano vermag, die vergangenen Zeiten der Studenten und Künstler im Viertel Saint-Germain-des-Près heraufzubeschwören. Ein Meistererzähler, so titelt der „Spiegel“, leider hierzulande noch zu wenig bekannt.